GENUSS
WEINREIZE
Der Entdeckerweinladen in Berlin
VB Cal. 1 – 22? Sehr zum Wohle!
Der Architekt Bruno Taut hätte seine wahre Freude gehabt an dem Entdecker-Weinladen in der denkmalgeschützten Ladenstraße im U-Bahnhof Onkel-Toms-Hütte. Ab 1926 wurden die von ihm entworfenen Häuser im Bauhausstil rund um den U-Bahnhof gebaut. 90 Jahre später eröffnen die beiden Weinenthusiasten Achim Röhe und Nils Thamm hier ihr Geschäft. Eine Fundgrube für Kenner des Besonderen.
„Wir führen deutsche und europäische Weine mit dem Fokus auf besondere Regionen“, sagt Achim Röhe. So kommen die Schätze aus Liechtenstein, San Marino und der Schweiz. Wie bitte? Weine aus der Schweiz? Und wie. „Der Kanton Graubünden gilt als das Burgund der Alpenrepublik“, kommt die prompte Auflösung. Und dann die Weine aus Übersee. Chile sei dabei besonders interessant, da hier noch die einzige Rebe weltweit mit eigener Wurzel angebaut würde. Weinkenner versetzt diese Nachricht in Entzückung.
Raritäten sind bei den Weinliebhabern eher Standard. Ein Schaumwein aus Slowenien, der bis zum Öffnen auf dem Kopf stehen muss. „Der steht seit zehn Jahren auf der Hefe, ist noch nicht degorgiert.“ Aha. Und hier: ein Amphora di Vecciano aus der Emilia Romagna. Ein absoluter Naturwein, der in einer Tonamphore vergraben wird und sozusagen unter Tage gärt. Oder der Württemberger Mauerpfeffer aus dem Weingut Klopfer. Eine Neuzüchtung, deren Rebsorte noch nicht einmal einen Namen hat. Sie läuft derzeit noch unter der profanen Bezeichnung VB Cal. 1–22. Oder der Bocker, ein Vaduzer Pinot Noir vom Hofkeller des Fürsten von Liechtenstein. Der kommt eindeutig vom teuersten Weinberg der Welt. Ach ja: Der Biancale sei auch zu empfehlen. Eine regionale Rebsorte aus San Marino. „Wir sind die Einzigen, die den edlen Tropfen in ganz Deutschland anbieten“, ergänzt Nils Thamm. Nicht von ungefähr werden die Beiden von ihren Stammkunden liebevoll „Trüffelschweine“ genannt.
Der Weinladen ist ein architektonisches Crossover einer skandinavisch-alpenländischen Weinkantine. Die Baumaterialen wir der Linoleum-Boden sind eine Hommage an die Taut’sche Zeit, auch das einstige Fenster zum Himmel hat Nils Thamm wieder freigelegt. Apropos: Bei Weinreize gibt es auch zwei Bruno-Taut-Linien, u.a. ein Quartett unterschiedlicher Rebsorten: Der Blaue, der Gelbe, der Grüne und der Rote. Immer wieder kommen Architekten aus ganz Berlin, und das Quartett mit Lokalkolorit zu erstehen.
Auch die Vorsitzende des Bruno-Taut-Vereins von nebenan schaut kurz vorbei und fragt: „Hast Du mal die Bruno-Taut-Farben?“
Zur Eröffnung der Ladenzeile war hier einst die Drogerie Emil Gast. „Wir haben unser Ladenschild genau wie damals als Glastafel angebracht“, sagt Nils Thamm. Sobald es etwas wärmer wird, sitzen die Beiden vor ihrem Geschäft – mit einer Zigarre und einem guten Tropfen. Da kann währenddessen auch schon mal das Morgengrauen den neuen Tag ankündigen. „Einmal ist hier eine komplette Hochzeitsgesellschaft gestrandet und hat mit uns bis spät in die Nacht auf das jungvermählte Paar angestoßen.“ Die mussten wohl leider auf der weniger inspirierenden Feier durchhalten. Apropos Feiern: Neben zahlreichen Wein-Seminaren lockt zweimal im Jahr ein Weinfest mit Livemusik die Weinjünger an. Nächster Termin: Freitag, 20. April 2018 ab 15 Uhr.
Ein Architekt im Auftrag der evangelischen Kirche – „ich arbeite jetzt nur noch halbtags“ - und ein Wirtschaftsinformatiker und IT-Berater haben hier ganz klar ihr Hobby zum Beruf gemacht. Sehr zum Wohle!
UNSER TIPP:
Im Café „Milch & Honig“ in der Sophie-Charlotte-Straße gibt es das schönste Frühstück außerhalb unserer eigenen vier Wände. Dass liegt auch an Maria, der Inhaberin, die einen immer so offenherzig und liebevoll umsorgt.
WEINREIZE WEINLADEN
Röhe & Thamm GbR
Ladenstraße 35
14169 Berlin
Mi 16:00 – 20:00
Do + Fr 11:00 – 20:00
Sa 11:00 – 16:00
Tel. 030. 4074 3576